Die unterschätzte Kraft der Unternehmenskultur
- Markus
- 15. Mai
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Mai
Wie gelebte Werte den Unterschied machen

In diesem Blogbeitrag erfährst du mehr über:
Zwei Teams, unterschiedliche Ergebnisse – woran liegt’s?
Zwei Unternehmen, zwei Führungsteams, zwei nahezu identische Ausgangslagen: ähnliche Produkte, vergleichbare Marktanteile, gleiche Tools. Trotzdem entwickelt sich eines davon sichtbar besser, während das andere im Markt zurück bleibt.
Doch was ist der Grund dafür?
Nicht zwangsläufig die Strategie, Struktur oder Technik. Sondern etwas, das oft übersehen wird: die gelebte Kultur.
Diese wirkt nicht laut, dafür aber tief. Kultur beeinflusst, wie Menschen denken, wie sie kommunizieren, wie sie Entscheidungen treffen. Sie entscheidet darüber, ob jemand Eigenverantwortung übernimmt oder auf Freigaben wartet. Ob in Konflikten Klartext gesprochen oder taktvoll geschwiegen wird. Ob Innovation möglich ist oder Angst lähmt.
Für Führungskräfte bedeutet das: Kultur ist kein weicher Faktor. Sie ist ein harter Erfolgsfaktor.
Das belegen auch Studien:
Menschen sind besonders motiviert & produktiv, wenn sie sich mit der Unternehmenskultur und den Werten ihres Unternehmens verbunden fühlen. Das ergibt eine Studie von Salesforce - 70% der Befragten geben die Unternehmenskultur darin als wichtiges Motivationselement an. (1)
Was ist Kultur?
Jeder Mensch hat Werte und Grundannahmen in sich, die unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Kommen mindestens zwei Menschen zusammen, entsteht Kultur.
Kultur ist etwas sehr grundlegendes. Sie ist die Schnittmenge aller Werte, gelebten Überzeugungen, Verhaltensweisen und unausgesprochenen Regeln innerhalb einer Organisation oder eines Teams. Sie zeigt sich nicht in Leitbildern, sondern in Alltagsentscheidungen, Meetings, Gesprächen und Umgangsformen.
Kultur entsteht also nicht zwangsläufig durch das, was aufgeschrieben wird, sondern durch das gelebte Verhalten aller Beteiligten. Die Führungskraft hat hierbei eine besondere Vorbildfunktion.
Ein Beispiel aus dem Alltag einer Führungskraft:
Vielleicht kommt dir dieses Beispiel bekannt vor? Eine Führungskraft lädt ihr Team regelmäßig zu Feedback-Runden ein. Auf den Folien steht: „Offene Meinungen sind ausdrücklich erwünscht.“
Die Führungskraft kann also auf die selbe Situation unterschiedlich reagieren und beeinflusst damit den langfristigen Erfolg oder Misserfolg ihres Teams.
Das Zusammenspiel von Team- & Unternehmenskultur
Das ist Teamkultur
Führung entfaltet ihre Wirkung zunächst dort, wo sie am unmittelbarsten erlebbar ist – im direkten Kontakt mit dem eigenen Team. In diesem alltäglichen Miteinander zeigt sich, ob Verantwortung übernommen, Feedback offen gegeben und Vertrauen tatsächlich gelebt wird. Genau hier entsteht Teamkultur: in konkreten Interaktionen, in kleinen Routinen, in der Art, wie Entscheidungen getroffen und Gespräche geführt werden. Sie ist unmittelbar spürbar und stark durch das Führungsverhalten einzelner Personen geprägt.
Das ist Unternehmenskultur
Teamkultur steht nie isoliert. Sie ist Teil eines größeren Zusammenhangs, nämlich der übergreifenden Kultur des gesamten Unternehmens. Diese entsteht aus den übergreifenden Mustern einer Organisation. Aus Führungssystemen, Entscheidungsprozessen, gelebter Strategie und Erwartungen. Die Unternehmenskultur beeinflusst beispielsweise, wie unterschiedliche Teams zusammenarbeiten oder wie das Unternehmen nach außen auftritt.
Das erfolgreiche Zusammenspiel
Die Ergebnisse der Google-Studie „Project Aristotle“ zeigen deutlich: Psychologische Sicherheit ist der entscheidende Faktor für erfolgreiche Teamarbeit. (2) Doch sie entsteht nicht im luftleeren Raum. Teams können nur dann offen und risikobereit agieren, wenn die übergeordnete Unternehmenskultur ihnen dafür den nötigen Rahmen bietet. Eine Kultur, die Vertrauen nicht nur fordert, sondern auch vorlebt, ist die Voraussetzung dafür, dass Teamdynamik ihr volles Potenzial entfalten kann.
Führungskräfte sind für ihre Teamkultur verantwortlich. Gelingt es ihnen diese zu verbessern, kann das Team erfolgreicher sein.
Lass uns nun also gemeinsam schauen, wie du deine Kultur analysierst. Ich empfehle dir in deinem eigenen Team anzufangen, weil du hier vermutlich den größten Hebel als Führungskraft haben wirst.
Kulturanalyse: Verstehen, was unter der Oberfläche passiert
Wer Teamkultur wirklich verändern will, muss zunächst verstehen, wie sie wirkt. Denn Kultur zeigt sich nicht nur in sichtbaren Verhaltensweisen, sondern ist tief im Team verankert. Der Organisationspsychologe Edgar Schein beschreibt sie als ein System aus drei Ebenen, die sich gegenseitig beeinflussen:

Artefakte: Das sind die sichtbaren Elemente wie Bürogestaltung, Dresscodes, Sprache oder formelle Strukturen. Sie sind leicht zu beobachten, aber nicht unbedingt leicht zu deuten. Möchte eine Führungskraft die Kultur im Team verändern, lohnt sich der Einstieg über diese sichtbaren Elemente.
Bekundete Werte: Sie spiegeln die bewusst geteilten Überzeugungen wider, etwa wie Entscheidungen getroffen oder Konflikte gelöst werden sollten. Sie bestimmen, was als „richtig“ gilt. Sie sind innerhalb der Organisation sichtbar (z. B. über Führungsleitbilder oder Werte-Broschüren)
Grundannahmen: Die tiefste Ebene. Hier liegen unbewusste Überzeugungen darüber, wie die Welt innerhalb des Teams oder Unternehmens funktioniert. Dazu zählt etwa, welches Menschenbild ("Menschen sind von sich auch bestrebt, gute Arbeit zu leisten" vs. "Menschen sind grundsätzlich faul und bequem") vorherrscht oder wie mit Unsicherheit umgegangen wird. Diese Annahmen sind selten ausgesprochen und schwer zu ermitteln.
In der Praxis zeigt sich schnell: Viele Kulturveränderungen scheitern, weil sie sich auf der Oberfläche abspielen, also bei den Artefakten und kommunizierten Werten, ohne die darunterliegenden Grundannahmen zu hinterfragen.
Wer Kultur gezielt analysieren und verändern will, braucht ein klares Verständnis dieser drei Ebenen. Darauf gehen wir in dem Modul "werteorientierte Kulturarbeit" in unserem Onlinekurs Purposeful Leadership Complete genauer ein.
Ein Beispiel aus der Praxis: Verantwortungskultur im Team stärken
Stellen wir uns folgende Ausgangslage vor:
Eine Führungskraft hat gerade ein Team neu übernommen. Das zehnköpfige Team in einem mittelständischen Unternehmen arbeitet an internen Digitalisierungsprojekten. Fachlich sind alle gut aufgestellt, doch im Alltag zeigt sich ein Muster: Aufgaben werden häufig weitergereicht, Zuständigkeiten bleiben unklar, und bei Fehlern verweist man schnell auf andere. Entscheidungen werden nach oben geschoben, statt selbst Entscheidungen zu treffen. Die Folge: Frust, Verzögerung, Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität.
Das Ziel:
Die Führungskraft will das ändern. Ziel ist eine Kultur, in der Verantwortung übernommen wird.
Doch wie lässt sich so ein Wandel konkret gestalten?
Der Weg dahin:
Wir wählen das Modell von Edgar Schein. Dazu werden zunächst die sichtbaren Artefakte beobachtet und eingeordnet.
1. Artefakte: Das Sichtbare verändern
Artefakte sind die sichtbaren Ausdrucksformen von Kultur, also das, was man im Alltag beobachten kann.
Beobachtung: Der Führungskraft fällt auf, dass in Meetings oft nicht klar benannt wird, wer für was zuständig ist. Die Dokumentation von Ergebnissen und Entscheidungen erfolgt nicht immer konsequent, weshalb es häufig zu Verunsicherung kommt. In der Konsequenz wissen Mitarbeitende, die beispielsweise nach einem Urlaub zurück zur Arbeit kommen, nicht, welche Themen Priorität haben.
Was die Führungskraft tun kann:
Am Ende jedes Meetings gemeinsam Verantwortlichkeiten konkret benennen: Wer übernimmt was, bis wann, mit welchem Ziel?
Eine einfache Visualisierung im Raum oder digital einführen (z. B. Verantwortungsboard), die zeigt, wer welche Themen gerade trägt.
In der Kommunikation gezielt den Fokus auf Verantwortung statt nur auf Ergebnisse legen: "Welche Aufgabe übernimmst du?" statt "Was steht auf deiner To-do-Liste?"
Wirkung:Verantwortungsübernahme wird sichtbarer, verbindlicher und nachvollziehbarer. Damit verändert sich der Rahmen für tägliches Verhalten.
2. Bekundete Werte: Verantwortung sichtbar zum Prinzip machen
Bekundete Werte beschreiben, was innerhalb eines Teams oder einer Organisation offiziell als wünschenswert gilt. Sie werden ausgesprochen, niedergeschrieben, betont, sind aber noch nicht so tief verwurzelt wie die Grundannahmen. Genau deshalb verdienen sie besondere Aufmerksamkeit: Sie bilden das Bindeglied zwischen dem, was sichtbar ist, und dem, was als Grundannahme unter der Oberfläche gelebt wird.
Beobachtung: Die Führungskraft erkennt, dass Verantwortung im Team bislang nicht als klarer Handlungsrahmen verankert ist. Es fehlt ein gemeinsames Verständnis darüber, was Verantwortung eigentlich bedeutet und wie sie im Alltag konkret aussieht. Zwar wird Leistung erwartet, aber Verantwortungsübernahme nicht explizit eingefordert oder strukturell unterstützt.
Was die Führungskraft tun kann:
In Meetings und Einzelgesprächen konsequent betonen, wie wichtig Verantwortungsübernahme für die Zusammenarbeit und den Erfolg des Teams ist.
Den Wert „Verantwortung übernehmen“ gemeinsam mit dem Team definieren und sichtbar machen (z. B. als Leitsatz, der im Arbeitsalltag regelmäßig aufgegriffen wird).
Ein wöchentliches Statusmeeting einführen, in dem nicht nur Ergebnisse, sondern auch getroffene Entscheidungen und übernommene Verantwortungsbereiche transparent gemacht werden.
In der Feedbackkultur stärken, was erwünscht ist: Wer Initiative zeigt, wird gezielt positiv angesprochen. Nicht als Ausnahme, sondern als Signal an das ganze Team.
Wirkung: Verantwortung wird nicht nur eingefordert, sondern als aktives Prinzip in der Teamkultur verankert. Der Wert bekommt Substanz und wird mit konkretem Verhalten verbunden
3. Grundannahmen: Unbewusste Überzeugungen hinterfragen
Grundannahmen sind die unsichtbare Ebene von Kultur. Sie bestehen aus tief verwurzelten Überzeugungen, die selten offen ausgesprochen werden, aber unser Verhalten maßgeblich beeinflussen. Sie sind das Fundament, auf dem Werte und sichtbare Verhaltensmuster ruhen.
Beobachtung: Auch wenn im Team jetzt klarer kommuniziert und Verantwortung strukturell eingefordert wird, bleibt bei einigen Mitarbeitenden eine zurückhaltende Haltung spürbar. Wer sich engagiert, tut dies zögerlich. Kritik wird vorsichtig formuliert. Es scheint eine unausgesprochene Überzeugung zu geben: Wer Verantwortung übernimmt, steht allein da oder riskiert, im Zweifel der oder die Erste zu sein, der zur Rechenschaft gezogen wird.
Was die Führungskraft tun kann:
Das Warum von Verantwortung regelmäßig thematisieren: Was bedeutet es für unser Team, wenn wir Verantwortung übernehmen? Welche Chancen ergeben sich dadurch für den Einzelnen und für die Zusammenarbeit?
In Einzelgesprächen gezielt nachfragen, wie Verantwortung individuell erlebt wird: „Was braucht es für dich, damit du dich sicher fühlst, Verantwortung zu übernehmen?“
Eigene Unsicherheiten oder Fehler offen ansprechen, um zu zeigen: Verantwortung heißt nicht, alles richtig zu machen, sondern bereit zu sein, Entscheidungen zu treffen und daraus zu lernen.
Erfolgsgeschichten sichtbar machen: Wenn ein Teammitglied Verantwortung übernommen hat und daraus etwas Positives entstanden ist, wird das bewusst im Team geteilt.
Wirkung: Langfristig beginnt sich das kulturelle Grundverständnis zu verschieben: Verantwortung wird nicht mehr mit Risiko oder Isolation verknüpft, sondern mit Vertrauen, Selbstwirksamkeit und gegenseitiger Unterstützung. Genau hier beginnt echte Kulturveränderung.
Wichtig für deinen Führungskräfte-Alltag: Das Beispiel in diesem Beitrag fokussiert sich auf den Wert Verantwortung. In der Realität wirken jedoch in jedem Team mehrere geteilte Werte gleichzeitig und jeder dieser Werte bringt eigene Dynamiken und Herausforderungen mit sich.
In unserem Onlinekurs gehen wir vertiefend auf das Modell von Edgar Schein ein, zeigen anhand konkreter Beispiele aus der Unternehmenspraxis, wie Werte in Verhalten übersetzt werden und wie sie sich gezielt gestalten lassen. Dabei nutzen wir die von uns entwickelte Impact-Werte-Matrix, um den Zusammenhang zwischen gelebten Werten und der Wirksamkeit von Führung sichtbar und handhabbar zu machen.
Fazit: Kulturarbeit beginnt im Alltag
Unternehmenskultur ist kein abstraktes Konzept. Sie zeigt sich im Alltag, im Miteinander und in jeder Entscheidung, die getroffen oder vermieden wird.
Für Führungskräfte bedeutet das: Kultur entsteht nicht am Reißbrett, sondern dort, wo du jeden Tag mit deinem Team arbeitest.
Es geht darum, Strukturen zu schaffen, Werte mit Leben zu füllen und tief verwurzelte Überzeugungen schrittweise zu verändern. Hierbei ist die Führungskraft immer Vorbild.
Kulturarbeit ist Führungsarbeit.
Und sie beginnt genau dort, wo du heute den nächsten Schritt machst.
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Quellen: